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Expertenveranstaltung zum Thema: „Gemeinschaftlich Wohnen für SeniorInnen“

Ausgangslage:

Innovative Wohnformen, wie das gemeinschaftliche Wohnen werden offensichtlich auch für Senior*innen zunehmend interessant. Damit verknüpft ist häufig der Wunsch nach einem lebendigen Miteinander und einer verlässlichen Nachbarschaft mit gegenseitiger Unterstützung im Alltag wie sie eben in gemeinschaftlichen Wohnformen praktiziert wird.

Zumindest ist die Anzahl der Nachfragen bei der Koordinierungsstelle in dieser Gruppe die höchste. Es melden sich meist Frauen zwischen 70 – 80 Jahren, die sich mit dem Gedanken in ein Seniorenheim zu gehen nicht anfreunden können und die von gemeinschaftlichen Wohnprojekten gehört/gelesen haben. In der Regel gehen sie davon aus, dass man sich in einem Wohnprojekt ähnlich wie in einem Heim anmelden kann und dann eine Wohnung zugeteilt wird. Sie wissen nicht, dass die Realisierung eines Projektes ein langer Prozess ist, der viele Fragen aufwirft und ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Initiative von den jeweiligen Gruppen, bzw. den „Macher*innen erfordert.

Die Koordinierungsstelle beabsichtigt daher mit Hilfe von Kooperations-partnern ein Wohnprojekt für Senior*innen zu entwickeln und die Zielgruppe „Senior*innen“ erst zum Ende des Prozesses mit einzubinden.

Der Arbeitstitel für dieses kooperative Format lautet:

„Konzept sucht Gruppe“

Die Schirmherrschaft für die Auftaktveranstaltung übernimmt Herr Oberbürgermeister der LH Wiesbaden Gert Uwe Mende!

Zielsetzung:

  • Auseinandersetzung mit dem Thema alternative Lebensformen im Alter durch Präsentation erfolgreicher Modelle.
  • Einbeziehung von Experten und möglicher Akteure, (SEG und GWW, Sozialdezernat mit Abtl. Wohnen, Abtl. Altenarbeit, Abtl. Selbst-ständiges Leben im Alter, Seniorenbeirat, Vertreter*innen aus bestehenden Wohnprojekten, AG 2.0, Freiwilligenzentrum u.a.).
  • In konstruktiver Diskussion Ideen zur Konzeptentwicklung zu erhalten.
  • Vernetzung möglicher Kooperationspartner*innen zur späteren Umsetzung.

Dokumentation der Auftaktveranstaltung

Konzept sucht Gruppe- Gemeinschaftliches Wohnen für Senior*innen in Wiesbaden

Der Bedarf nach Gemeinschaftlichem Wohnen in Wiesbaden steigt und scheint auch für Senior*innen ab 70 eine interessante Wohnform zu sein. Vor allem Frauen wendeten sich derzeit vermehrt an die Koordinierungsstelle, um sich nach Wohnangeboten zu erkundigen. Jedoch sei vielen nicht bewusst, dass Gemeinschaftswohnprojekten i.d.R. ein langer Planungsprozess in der Gruppe vorausgeht, der ein hohes Maß an Eigenverantwortung erfordert. Viele sähen sich hiermit überfordert und wünschten sich ein weniger aufwendiges Angebot als Alternative zum Seniorenheim.

Diese Nachfrage nahm die Koordinierungsstelle zum Anlass und lud u.a. in Kooperation mit der Hochschule RheinMain zu einem Online-Expertenaustausch ein, um den Bedarf zu diskutieren und über erste Ideen eines zu entwickelnden Wohnprojekts als Angebot für Senior*innen ins Gespräch zu kommen.

Begrüßt wurden die 26 Expert*innen der Seniorenarbeit und des Gemeinschaftlichen Wohnens von Herrn Oberbürgermeister Mende, der die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen hatte. Auch er betonte, das Vereinsamung zunehmend ein Problem in unserer alternden Gesellschaft sei, dem man mit neuen Lösungen begegnen müsse und dies in Wiesbaden auch anstrebe. Er erhoffe sich daher von dieser Initiative gute Erkenntnisse und Ideen für Wiesbaden.  Der Austausch, der von Heidi Diemer moderiert wurde, begann mit drei Fachvorträgen, die als Einstieg in die Diskussion dienen sollten.

Als erster referierte Prof. Walid Hafezi, Professor für Gerontologie an der Hochschule RheinMain, über den Wandel der Lebensstile, die heute eine größere Relevanz für Wohngewohnheiten hätten als Kategorien wie z.B. das Alter oder das Geschlecht. Daher müssten auch bestehende Versorgungsstrukturen hinterfragt und Wohnkonzepte „für Ältere“ neu gedacht werden. Denn in der postmodernen Gesellschaft gäbe es „die Alten“ nicht mehr, das kalendarische Alter ließe nicht auf ein bestimmtes Verhalten schließen. Menschen suchten stärker das Besondere, das zu Ihnen passt und seien nicht zu verallgemeinern. Bei der Konzeptgestaltung von Wohnen müssten daher individuelle Werte und Einstellungen in einer bestimmten Lebensphase berücksichtigt werden. In Wohnprojekten sei dies u.a. der Wert „in Gemeinschaft leben“.  Der Trend der Individualisierung spiegele sich auch in der urbanen Infrastruktur (z.B. Mobilität, Kultur) wieder, die in Planungen einzubeziehen sei. Dies stelle für Konzepte gemeinschaftlichen Wohnens auch eine Chance dar, durch vernetzte Ansätze den hochgradig flexiblen und mobileren Lebensstil der Menschen abzubilden und damit Lebensqualität zu schaffen.

Dr. Romy Reimer, Leiterin des Projektes „Wissen, Information, Netzwerke – WIN für Gemeinschaftliches Wohnen“ in Hannover stellte die Arbeit des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. Bundesvereinigung vor und präsentierte die Idee quartiersbezogener (Plus-) Bausteine (wie ambulante Pflege-WG, Quartierstreff, Beratungsangebote etc.) gemeinschaftlichen Wohnens für Senior*innen. Careangebote würden immer wichtiger, da der Anteil hochaltriger Menschen wachse und gleichzeitig immer weniger Zeit für Familycare bliebe – z.B. in Doppelverdiener-Familien. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels stelle sich die Frage, was es für zukunftsfähige Gemeinschaften brauche. „Barrierefrei, bezahlbar und Bausteine für Pflege und Versorgung.“ so Dr. Reimer. Auch mehr Inklusion und Teilhabe sei durch spezifische Wohnangebote notwendig. Während sich Gemeinschaftliche Wohnprojekte durch das Grundprinzip Kooperation und Mitbestimmung auszeichnen beinhalte das Konzept Gemeinschaftlich Wohnen Plus zusätzlich Quartiersbausteine wie Beratungs-, Pflege- und Betreuungsangebote ergänzt durch top-down (Kooperations-)Projekte.
Gelingensbedingung für ein gutes Wohnprojekt seien auch eine unterstützende Kommune. Mit Wir am Klingenborn, Hofheim am Taunus, und BeTrift, Niederrad stellte Dr. Reimer zwei Beispiele für gelungene Wohnprojekte dem Onlinepublikum vor.

Joachim Fischer konnte als Architekt und Projektentwickler der WOGEBE in Trier gleich zwei Perspektiven in die Diskussion einbringen. Architektur sei nicht nur Gebäude – sondern ein Prozess, an dessen Anfang die Frage stehe: Was hat man mit dem Projekt konkret vor? In seinem Beitrag zu Gemeinschaftlichem Wohnen machte er deutlich, dass Architektur die Gemeinschaft fördern könne, sie aber nicht herstellen. Hierzu benötige es eine „funktionierende“ Gemeinschaft, die Gemeinsamkeiten verbinde und die es in einem aufwendigen Prozess zu gestalten und zu steuern gelte. Wie in den vorgestellten Projekten Thyrusstraße sei es wichtig, Benutzer*innen und Bewohner*innen des Quartiers transparent in die Planungen einzubeziehen und die Architektur verständlich zu machen, z.B. wie Außenräume mit Aufenthaltsqualität die Gemeinschaft und Begegnung förderten.

Im Anschluss an die Vorträge wurden die eingeladenen Expert*innen u.a. aus der Seniorenarbeit beteiligt, die Heidi Diemer zu Fragen und Diskussion einlud, um erste Einschätzungen aus Ihrer persönlichen Arbeit und Erfahrung zum Thema beizutragen.

Nicht alle der Vertreter*innen waren bisher mit dem Thema Gemeinschaftlich Wohnen vertraut gewesen, zeigten sich aber sehr offen und interessiert, sich hier zukünftig stärker zu vernetzen und gemeinsam an neuen Ideen und ggf. einem konkreten Projekt für Senior*innen in Wiesbaden zu arbeiten. Auch der Geschäftsführer der GWW, … Keller zeigte seine Bereitschaft für eine Kooperation, wobei sich natürlich auch noch ein passendes Grundstück finden müsse.

Für die weitere Zusammenarbeit zur Entwicklung eines Wohnkonzepts für Senior*innen war der Online-Fachaustausch ein gelungener Auftakt, der in einer AG ab dem 22.11.21 fortgesetzt und moderiert werden soll und für den sich spontan Freiwillige unter den Expert*innen gefunden haben.  

Verfasst von Claudia Schymalla, HSRM

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